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Bandy ist ein bunter Mix aus Eishockey, Feldhockey und Fussball. Die Schwedische „Elitserien“ ist die einzige Bandy-Profiliga der Welt. Entsprechend schlägt der vielfache Weltmeister Schweden seinen skandinavischen Erzrivalen Finnland deutlich mit 9:3
Bandy ist eine ultraschnelle Wintersportart, aus dem später das neuzeitliche Eishockey hervorgegangen ist. Obwohl es auf dem Eis gespielt wird, gibt es zahlreiche Parallelen zum Feldhockey und Fussball.
Besonders populär ist Bandy bis heute vor allem in den skandinavischen Ländern sowie Russland. Dies wiederspiegelt auch ein Blick auf den Medaillenspiegel bisheriger Weltmeisterschaften, die seit 1957 ausgetragen werden. Die Russen obsiegten 21 mal (inkl. den Titeln der früheren Sowjetunion), Schweden 11 mal. Einzig Finnland konnte mit seinem Titelgewinn 2004 diese Phalanx der Seriensieger durchbrechen. Ebenfalls bemerkenswert: an den 33 Titelkämpfen konnten bisher nur 5 Nationen eine Medaille erringen; neben den drei genannten Nationen noch Kasachstan und Norwegen.
Wir besuchten im September in Uppsala das ewige Nachbarduell der beiden aktuellen WM-Medaillenhalter Schweden und Finnland. Die Relitahallen war extrem herunter gekühlt, so dass selbst hartgesottene schwedische Fans die Eishalle bereits im Laufe der ersten Halbzeit verliessen, um durchfroren ein heisses Getränk zu holen. Je elf Mann spielen wie beim Fussball zweimal 45 Minuten auf einem ungefähr Fussballplatz-grossen Eisfeld. Wegen der riesigen Spielfäche gibt es praktisch keine geeigneten Eishallen fürs Bandy, weshalb üblicherweise im Freien gespielt wird – dies war wohl der Hauptgrund dafür, warum das Eishockey über die Zeit das Bandy verdrängt hat.
Nun jagen je zehn Feldspieler auf ihren Schlittschuhen und mit Feldhockey-ähnlichen Schlägern einem leuchtend roten Ball hinterher. Das Spiel ist schnell, Techniker sind bevorzugt, denn es gibt keinen Körperkontakt. Die Finnen legen los wie die Feuerwehr und erarbeiten sich zu Beginn des Spiels einige hochkarätige Tormöglichkeiten. Ein Treffer will den Aussenseitern aber vorerst nicht gelingen.
Nach fünf Minuten erleben wir eine weitere Besonderheit des Bandy: es gibt einen Eckball für Schweden. Denn hinter dem Tor wird – im Gegensatz zum Eishockey – nicht gespielt.
Wie beim Feldhockey wird der Ball beim Eckball von der ausführenden Mannschaft flach zur Mitte gespielt, während sich die verteidigende Mannschaft ganz auf die Torlinie zurückziehen muss. Und genauso wie beim Pendant auf dem Rasen bilden Eckbälle auch beim Bandy ausgezeichnete Torchancen. Wie hart der rund sieben Zentimeter kleine Kunststoffball mit einem Kern aus Kork sein muss, kann man nun als Zuschauer erahnen: wie schüchterne Knaben vor dem ersten Rendez-vous stehen die finnischen Feldspieler verstohlen und das Gesicht mit den Handschuhen schützend auf ihrer Torlinie. Dann geht es blitzschnell: Der Ball rollt in die Mitte, die Finnen eilen auf ihn zu, doch der schwedische Stürmer trifft genau – es heisst 1:0 für Schweden.
Nun reisst der Favorit das Spiel zusehends an sich. Die Schweden kombinieren schön und prüfen immer wieder den finnischen Torhüter Aatu Valtonen. Dieser hat keinen Schläger und fliegt angesichts der grossen Tore zuweilen in bester Fussballkeeper-Manier mit einem Hecht durch die Lüfte seines Kastens.
Einige Male kann Valtonen mit Körper und Handschuhen bravurös Torschüsse parieren.
Doch die Schweden sind ungemein effizient und schiessen bald regelmässig ihre Tore. Auch Debütant Christoffer Fagerström markiert seinen ersten Länderspieltreffer. Zur Pause führt der Gastgeber bereits 6:1. Das Spiel ist wohl entschieden.
Vorläufer des Bandy wurden bereits im Mittelalter gespielt. Die moderne Sportart, wie wir sie heute kennen, entstand – wie könnte es anders sein – in England. Als weltweit erste Vereine wurden der „Bury Fen Bandy Club“ sowie „Sheffield United“ und „Nottingham Forest“ aus der Taufe gehoben.
Das sind längst vergangene Zeiten. Die Pioniere von früher spielen heute keine bedeutende Rolle mehr im internationalen Bandy. In Schweden hingegen ist Bandy hinter Fussball und Eishockey die drittgrösste Mannschaftssportart. Den Final der schwedischen Meisterschaft zelebrieren jeweils gegen 30‘000 Zuschauer. Die schwedische „Elitserien“ ist auch die weltweit einzige Profiliga der Welt. Auch die Schweiz zählte zu den Pionieren dieser Sportart. Ab 1884 zählte die Affiche zwischen den bekannten Winterorten St.Moritz und Davos zu den Highligts des helvetischen Sportwinters. Bereits 1913 fand in der Schweiz (Davos) auch die die erste Europameisterschaft statt. England siegte.
In Uppsala haben sich zum Länderspiel höchstens etwa hundert Zuschauer eingefunden. In der zweiten Halbzeit nimmt das Spiel den erwarteten Gang. Die Schweden gewinnen locker mit 9:3. Der Schlusspfiff in der 94. Minute ist der Startschuss für die Zuschauer rasch in die Wärme draussen zu drängeln – es ist ein wunderbarer nordischer Herbstnachmittag an diesem Samstag.
TELEGRAMM:
Länderspiel, Relitahallen, Uppsala
Schweden – Finnland 9-3 (6-1)
Torschützen Schweden: Christoffer Edlund 3, Patrik Nilsson 2, Per Hellmyrs 2, Christoffer Fagerström, David Karlsson
Torschützen Finnland: Mikko Lukkarila 2, Pekka Hiltunen
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