( Fotograf │ St.Gallen │ Sportfotos )
In den letzten eineinhalb Jahren konnte ich mich an den Fussball-Spielen des SC Brühl, die ich zuhanden der Reportage-Serie über die lokale Fussball-Legende Marc Zellweger besuchte, vom Reiz des lokalen Amateursports berieseln lassen.
Weil der SC Brühl mittlerweile in der Winterpause weilt, schaute ich mich nach alternativen Tummelfeldern um. Der Meisterschaftsbetrieb des Rugby-Vereins „the Bishops“, der in der Nationalliga B spielt, ruht leider auch schon im tiefen Winterschlaf. So fiel meine Wahl auf die Kunsteisbahn Lerchenfeld und den Eishockey-Club St.Gallen.
Dem Eishockey-Sport war ich schon in Kindesjahren verbunden, als ich mit meinem Götti jeweils an den traditionellen Spengler-Cup fahren durfte. Das Erlebnis von damals war nicht mit heutigen Verhältnissen vergleichbar: die Eisbahn in Davos war nicht überdacht, man fror sich bei zweistelligen Minustemperaturen trotz allen Kleidern aus dem Schrank sowohl Hände, Nase, Füsse und Körper ab, Schneeflocken wogten durch die Lüfte und aufs Eis (das manchmal nach 10 Spielminuten zusätzlich gereinigt werden musste) und am Puck zauberten absolute Weltstars wie der tschechoslowake Vazlav Nedomansky – der mit seinem Nationalteam zum Ende der 1960er und zu Beginn der 1970er Jahre die grosse UdSSR im Nachgang des Prager Frühlings mehrmals besiegte, Weltmeister und Volksheld wurde.
St.Gallen’s Eishockey bewegt sich dann doch einige Klassen weiter südlich – die Kombination „St. Gallen und Eishockey“ ist schon fast eine Trauergeschichte. Die schnellste Mannschaftssportart hat hier nie richtig Fuss gefasst, darbt das Dasein einer Randsportart. Die hiesigen Vereine waren bis dato fast immer geplagt von Geldnöten, Spielermangel, fehlendem Interesse oder ausbleibendem sportlichem Erfolg. Lange fehlte auch eine vernünftige Infrastruktur, bis die Kunsteisbahn Lerchenfeld endlich in eine überdachte Eishalle eingebettet wurde.
Zu diesem recht trostlosen Hockey-Dasein in der Gallus-Stadt, gab es eigentlich nur eine Ausnahme: der EHC Vorwärts Bruggen wurde 1992 gegründet, um St.Gallen aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken und auf die Eishockeykarte der Schweiz zu bringen. Und die „Brüggler“ wussten tatsächlich zu begeistern. Sie stiegen innert drei Saisons von den Tiefen der 4. in die 1. Liga auf. Dabei verloren sie kein einziges Spiel. Vorwärts Bruggen ist damit die einzige Mannschaft in der Geschichte des Schweizer Eishockeys, die ganze drei Saisons lang ungeschlagen blieb.
Zu den besten Zeiten pilgerten bis zu tausend Zuschauer ins Lerchenfeld. Doch leider hatte der Höhenflug bald ein Ende. Der Traum von einer noch höheren Spielklasse blieb unerfüllt, neben Geld fehlte vor allem eine Eishalle.
Für mich hatte der kurze Höhenflug auch eine persönliche Note: Sowohl auf als auch neben dem Spielfeld war Werner Haltinner einer der Baumeister dieses Erfolges. Er hatte erst spät zum Eishockey gefunden, war aber talentiert, fleissig und bald das Aushängeschild des lokalen Eishockeys. Zudem vermochte er mit seiner gewinnenden Art die Leute fürs Eishockey zu begeistern. Als einer der Leiter unseres Sekundarschul-Eishockey-Lagers, das jeweils zur Sportwoche in Davos stattfand und mit einem Spiel gegen die viel kleineren HCD-Junioren gekrönt wurde, auch uns talentfrei übers Eis stolpernden Möchtegern-Haudegen immer aufmunternd als guter Kumpel zur Seite stand.
Mittlerweile pendelt der EHC St.Gallen, hervorgegangen aus einer Fusion der beiden Vereine EHC St. Gallen und EHC Vorwärts Bruggen Piranhas, als Lift-Mannschaft zwischen der zweiten und dritten Liga.
Die neue Eishalle hat also sportlich noch nicht die nötigen Flügel verliehen. Sie ist zwar modern und zweckmässig versprüht für mich aber als schnöder Betonklotz eher den Charme einer Militärkaserne.
Am heutigen Mittwoch verloren sich für das Spiel der 2.Liga zwischen dem EHC St.Gallen und St.Moritz nur wenige Dutzend Zuschauer in der Halle. Fürs Fotografieren sind die Bedingungen suboptimal. Es gibt in den Plexiglasfassungen, die das Spielfeld oberhalb der Banden umgeben, keine „Gucklöcher“ für Kameraobjektive. So muss man entweder durch das Plexiglas fotografieren, was Reflexionen und teilweise Unschärfe nach sich zieht. Oder man ergattert eine kleine Leiter, die einem von den netten Leuten zur Verfügung gestellt wird, und fotografiert oberhalb des Plexiglases. Dort ist jedoch der Winkel von „oben-nach-unten“ etwas ungünstiger. Zudem steht man mit wackligen Beinen auf einem Absatz, ist also in der Bewegung eingeschränkt und kann zudem nicht rasch, der Spielsituation angepasst, zur zweiten Kamera mit anderem Objektiv wechseln.
Wie üblich, wenn ich ohne Auftrag und nur für mich fotografiere, versuchte ich auch an diesem Abend primär die Dynamik des Geschehens mittels langer Belichtungszeiten und gezielten Bewegungsunschärfen einzufangen – wofür schnelle Sportarten wie das Eishockey eigentlich prädestiniert sind.
In den Zeitungen und Magazinen findet diese Art der Fotografie kaum statt. Aber: warum aber soll ein sich auf dem Eis gleitender Spieler ultrascharf und statisch auf’s Foto gebannt werden? Warum die Fanghand eines Torhüters ohne Bewegungsunschärfe abgebildet sein, wenn der Keeper doch ultraschnell wie ein Fliegenfänger reagiert hat?
Der Teufel dieses Fotografieransatze ist, dass trotz allem mindestens ein scharf abgebildeter Bildteil nötig ist, damit die Bilder eine brauchbare Bildwirkung erlangen. Im Falle von Sportlern wären diese Elemente das Gesicht, Arme und Beine, sowie natürlich das Spielgerät, also zum Beispiel Ball, Schläger oder Puck.
Beim Eishockey müssen für brauchbare Ergebnisse viele Komponenten zusammenpassen, weil sich Kopf, Körper, Arme, Beine, Schläger und Puck oft in unterschiedlichen Richtungen und Tempi bewegen. Wer sich auf diese Art von Fotografie einlässt, muss also hauptsächlich eines lernen, nämlich hunderte von unbrauchbaren Fotos zu löschen.
Natürlich ist das Spiel in der Eishalle Lerchenfeld weniger intensiv und schnell als einige Ligen höher. Das Fotografieren ist dennoch nicht einfacher. Während auf Topniveau gewisse Spielkombinationen und –Situationen vorhersehbar sind, bleibt bei den Hobbyspielern doch einiges mehr dem Zufall überlassen – sprich: Puck und Spiel nehmen unvorhergesehene Richtungen an.
Der heutige Match lief für die St.Galler Hockeycracks unglücklich. Sie gingen zwar im ersten Drittel gleich mit dem ersten Angriff nach nur 22 Sekunden mit 1:0 in Führung und hielten diese bis ins letzte Drittel hinein. Doch dann schlugen die Gäste aus dem Engadin innert weniger Minuten dreimal zu. Das Schlussresultat lautete 2:3. Damit verbleibt der EHC St.Gallen an vorletzer Stelle.
Die meisten Impressionen dieses Blog-Beitrags entstanden mit einer Belichtungszeit von 1/15 oder 1/25 Sekunde . Das nächste Mal werde ich diese etwas erhöhen. Ich plane gegen Ende der Saison nochmal einen Besuch auf dem Lerchenfeld und werde die Erkenntnisse von gestern hoffentlich für verbesserte Ergebnisse nützen können.